Kapitel 18 (Ausschnitt)
Der Duft in der Sauna war wunderbar: Die Frauen hatten eifrig Aufgüsse gemacht, man roch das herrliche, frische Grün der Birkenblätter, und die Luft war angenehm feucht. Matti steckte seine Nase durch die Saunatür und zog seinen Kopf mit sinnlich-verklärtem Blick wieder hervor: „Aaaaa!“, frohlockte er.
Berthold, Jupp, Schorsch und Cornelius als Letzter hatten den Umkleideraum zögerlich betreten; schließlich herrschte schon dort eine nicht zu verachtende Wärme. Der Große Saunameister Matti verteilte mit herablassender Gestik die Badetücher, wobei er tatsächlich den verschüchterten Jupp mit dem beschriebenen ‚Hund und Katze im Doppeldecker‘-Motiv bedachte. Jupp nahm sein Laken widerspruchslos entgegen; fast hatte ich den Eindruck, er fand durchaus Gefallen daran.
Als Matti und ich uns nun zu entkleiden begannen, folgte als erster Berti unserem Beispiel. Seine gestählten Muskeln konnten uns andere vor Neid erblassen lassen, Freund Matti allerdings wirkte nicht sonderlich beeindruckt. Aber wer oder was kann ihm auch imponieren, da er selbst davon überzeugt ist, der Adonis in persona zu sein.
Jupp und die beiden anderen Saunaanwärter legten ihre Kleider nicht vollständig ab, aus keuscher Scham, wie ich vermute. Sie boten allerdings auch so sehenswerte ‚Exponate‘: Jupp trug knielange Bermudashorts in schreiend-farbigem Blumenmuster, Cornelius im Gegensatz dazu eine minikleine blaue Badehose aus Nylon, ganz eindeutig aus den fünfziger Jahren stammend. Der Clou aber war Georg Zäpfleins Beinkleid: Es handelte sich um ein weites, Turnhosenartiges Gebilde im Flatterlook, bedruckt mit Darstellungen von Brötchen, Salzstangen und einer Art von geringelten Hefeschnecken. Die Motive befanden sich zudem auch noch – es ist mir fast etwas peinlich, es zu schreiben; aber hier geht es schließlich um korrekte Angaben – an den passenden Stellen… Mit Stolz in den Augen verkündete Schorsch, das sei ein Werbegeschenk der Bäckerinnung, das er auf der letzten Lebensmittelmesse ein Jahr zuvor gewonnen habe. „Noch ganz neu und ungebraucht, wird heute von mir eingeweiht!“, teilte er uns hoheitsvoll mit.
Matti, das bedarf eigentlich keiner expliziten Erwähnung, hatte sofort eine passende – oder besser gesagt, garantiert unpassende – Bemerkung auf den Lippen, verkniff sie sich jedoch, als er meinen warnend-strengen Gesichtsausdruck bemerkte. Er riss nur die Tür zur Sauna auf, einen Schwall glühender Hitze in den Vorraum freisetzend und verschwand wortlos im „Backofen“, wie unser Bäckermeister treffend bemerkte. Wir anderen schlossen uns an, als Letzter Jupp, der wohl auf diese Weise hoffte, eine akzeptable Begründung dafür zu finden, dass er sich auf der untersten Bank niederließ: „Platzmangel. Na ja, macht nichts, ich sitz‘ dann halt mal unten…“
Cornelius hockte zusammengekauert in der Mitte, hielt sein Gesicht mit beiden Händen bedeckt und gab gelegentlich ein schmerzliches Stöhnen von sich. Er hatte gleich beim Eintritt, ohne seinen Kopf mehr zu heben als unbedingt erforderlich, nach der von Freund Matti „Eieruhr“ genannten Sanduhr neben der Tür getastet, in der Absicht, sie umzudrehen. Das war als Protesthandlung gegen die vom Saunameister während des Einführungslehrganges auf der Terrasse erlittene Desavouierung geplant. Hatte mich extra deswegen noch kurz interviewt, der Kaprizenschädel, wo dieses Objekt hing. Der Erfolg seiner Bemühungen war ein ‚zärtlicher‘ Klaps von Mattis Patschhändchen.
Berthold war lässig auf die oberste Sitzbank geklettert und versuchte, dicke zu tun… Indes: Er hechelte mit offenem Mund wie ein Bernhardiner bei 40 Grad im Schatten, hielt die Augen geschlossen, und ich vermeinte gelegentlich ein geflüstertes „Verdammt, verdammt, verdammt!“ aus seiner Richtung zu vernehmen.
Am dickhäutigsten war Schorsch. War ja in gewissem Sinne verständlich, denn er hatte tagtäglich mit seinen Backöfen zu tun. Setzte sich sogleich auf die oberste Bank, stützte seine Arme energisch auf die Oberschenkel und krähte lauthals: „Auf, Kinder, läälä!“, was unzweideutig „löyly!“, also „Aufguss!“ heißen sollte. Matti schlug ihm anerkennend auf die Schulter, wodurch der liebe Bäckermeister leicht zusammengefaltet wurde und fragte mit einer Stimme, in der Spott mitschwang: „Kann man machen löyly?“
…